Stress, Schmerz & Co.
Kennen Sie das auch? Unstimmigkeiten in der Familie, in der Beziehung, mit dem Ehepartner oder am Arbeitsplatz und danach Rücken, Magen oder Kopfschmerz? Oder plagt Sie ein unbestimmtes, nicht zuzuordnendes Unwohlsein, das schleichend zu einem Bestandteil Ihres Lebens geworden ist?  Wie ein ungebetener Gast, der nicht wieder gehen will? Ja, das kennen wir alle. All das passiert nur allzu häufig und ist eng mit den Themen Stress, Trauma und Schmerz verbunden. Und mit einem Zustand, der sich „Psychosomatisieren“ nennt. Das Gute ist, man spricht heute darüber nicht mehr hinter vorgehaltener Hand: Psychosoziale Integrität hat mit Gesundheit zu tun und ist ein wichtiger Bestandteil unseres modernen Lebens.

Vielleicht sind Sie betroffen? Dann möchten wir Ihnen an dieser Stelle einige für Sie sehr nützliche Fakten nahebringen, die Ihnen unter Umständen helfen können, Ihren Beschwerden auf die Schliche zu kommen.

Was ist Stress?
Stress entsteht im Gehirn. Stress ist eines von vielen Programmen, die unser Tun und Lassen in jeder Sekunde bestimmen. Dazu gehören wichtige und lebenserhaltende Funktionen, aber auch störende und zerstörende Muster. Stress ist keine Krankheit, denn eine Krankheit beschreibt Zustände, die eine Abweichung von der Norm (in diesem Fall dem ICD) darstellen. Und genau dies ist nicht der Fall. Stress ist ein natürlicher, persönlicher Parameter, hat also etwas mit der Disposition des Betreffenden zu tun. Stress ist in seiner Erscheinungsform, der Stress-Symptomatik, höchst individuell. Von einer Stress-Symptomatik reden wir, wenn es sich um andauernde, den Alltag beeinträchtigende Abweichungen vom Normalbefinden handelt.

Stressmuster, also wiederkehrende, reaktive Verhaltensweisen, entstehen durch Ereignisse, die etwas gemeinsam haben: Sie überfordern uns in irgendeiner Art und Weise. Diese Reaktionen und Anlässe dingfest zu machen, zu benennen, ist das A und O einer psychosomatischen Behandlung. Nur so können heilende Einsichten und Absichten in eine Richtung gelenkt werden. Nun werden Sie sagen: Tja, eigentlich weiß ich doch ganz genau, was mich aufregt, ärgert, belastet und trotzdem gerate ich immer wieder in diese Stress-Situationen. Oder Sie sagen: Aus manchen Lebensfakten kommt man eben nicht heraus. Ich bin nun mal Mutter, Vater, Ehemann, Ehefrau, Arbeitnehmer,- geber, Tochter, Sohn, das kann ich nun mal nicht ändern! Da kann ich doch nicht einfach aussteigen!

Ganz recht: Es sind all dies „Rollen“, die wir nun mal innehaben. Zwischenmenschliche Beziehungen, in denen wir stehen, in denen wir Gebende aber auch Nehmende sind. Wir tauschen Energie mit anderen aus. Welche Rolle wir haben, wie wir sie spielen und vor allem, welchen inneren Status wir dabei beziehen, beeinflusst unsere persönliche Energiebilanz. Es gilt: Stimmt die Bilanz, tut es uns gut. Stimmt sie nicht, tut es uns weh. Das klingt einfach — wie eine buchhalterische Rechnung. Ist es eigentlich auch. Körper und Geist sind ein intelligentes, sich selbst regulierendes Bilanz-System. Wie sagt man so schön? „Ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper“.  Jeder hat da seinen ganz individuellen Rahmen, seine persönliche Gesundheit, in und mit der er sich nach Belieben bewegen kann. Wenn die Anforderungen an den Geist oder den Körper jedoch das persönliche Maß übersteigen, gerät der Energiehaushalt in eine Schieflage. Die Bilanz/Balance stimmt nicht mehr. Mehr Soll als Haben. Körperfunktionen instabil. Energiereserven müssen her. Es wird kompensiert. Konstitutionelle Schwachstellen und Schwingungen der Persönlichkeit sind zuerst betroffen. Wenn dann nicht investiert wird, müssen Körper und Geist bei der Haushaltung dauerhaft Abstriche machen. Dies kann bis hin zur Drosselung, ja sogar zum Ausfall lebenswichtiger Organeinheiten führen. Die daraus resultierenden Beschwerden binden dann wiederum den Geist mit ein. Man ist irgendwie nicht mehr man selbst. Ein Teufelskreis entsteht: Habe ich körperliche Beschwerden, fühle ich mich unwohl, nicht leistungsfähig, unglücklich. Fühle ich mich unwohl, nicht leistungsfähig und unglücklich folgen körperliche Defizite bzw. sind diese schon „vorprogrammiert.“  Ein klassischer Teufelskreis.

Was ist ein Trauma?
Anders verhält es sich mit einem Trauma. Wir sind geneigt, unangenehme Dinge mit der Zeit aus unserem Bewusstsein zu tilgen. Die Zeit heilt alle Wunden! Das ist Selbstschutz. Dass wir aber gleichzeitig im Unterbewusstsein in andauernder Alarmbereitschaft bleiben, nehmen wir nicht wahr. Ein Trauma wird ausgelöst durch einschneidende, zumeist extrem emotional belastende Erlebnisse. Also durch eine Art „Super-Stress“. Als klinische Diagnose kennen wir z.B. die Posttraumatische Belastungsstörung, die durch Kriegserlebnisse, Folter, aber auch durch andere Formen zwischenmenschlicher Gewalt ausgelöst wird. Die einschneidenden Erlebnisse hinterlassen einen Alarmzustand im Gehirn und erhöhen die neurobiologische Empfindlichkeit für normalen Alltagsstress oder spezifische auslösende Faktoren. Darüberhinaus wird ein sogenanntes „Schmerzgedächtnis“ begünstigt. Besonders längst vergessene Vorfälle in der Kindheit können dem Erwachsenen Angstzustände, depressive Episoden, psychomotorische Beeinträchtigungen und Schmerzen ungeklärter Genese bescheren. Dass sich dahinter ein ausgefallener Stress-Regelkreis verbirgt, tritt oft erst im Verlauf einer Psychotherapie zu Tage. Erst das Entlarven und „Wegsortieren“ des im Unterbewusstsein verankerten Ereignisses bringt die Symptome zum Verschwinden. Die Stressachse kann sich regenerieren.

Was ist ein Schmerzgedächtnis?
Sogenannte „Schmerzpatienten“ haben oft jahrelange Arzt-Odysseen hinter sich, ohne dass sich ein Befund einstellt. Es werden wirksame Medikamente gegen den Schmerz verschrieben. In den schmerzfreien Perioden entsteht jedoch dann oft die Angst vor dem möglicherweise wiederkehrenden Schmerz, der so über ständige Aufmerksamkeit zum ständigen Wegbegleiter wird. Das Fatale: Je länger die Schmerzerfahrung andauert oder sich wiederholt, desto eher bildet sich ein gut vernetztes Schmerzgedächtnis aus. Denn beim Eintreffen von Schmerz- oder Berührungsreizen im Gehirn, feuern Nervenzell-Netzwerke Signale an bestimmte Gene ab, die — gleich einer gut gelernten Lektion — zunehmend schneller und stärker auf die Signale reagieren. Dieses Verstärkerprinzip endet damit, dass das wiederholte Benutzen von Synapsenverschaltungen einen dauerhaft evozierten, also buchstäblich „hervorgerufenen“ Schmerz, ohne realen Anlass verursacht. Die Diagnose kann über bildgebende Verfahren, wie MRT und PET gesichert werden. Wenig bekannt ist, dass auch die Nervenzellen im Rückenmark die Aktivität verschiedener Gene und die Verschaltung von Synapsen verändern, was unerkannte Auswirkungen auf den ganzen Körper haben kann. Es hat sich herausgestellt, dass eine Vollnarkose, also eine Betäubung des Gehirns, während eines großen operativen Eingriffs nicht immer ausreicht. Auf das nicht betäubte Rückenmark eintreffende Schmerzsignale prägen dort unbemerkt ein Schmerzgedächtnis aus. Dieses kann — auch sehr viel später — durch einen entsprechenden Reiz reaktiviert werden und zu chronischen Schmerzen führen.